Ästhetische Anschauung
ist eine radikale Form des Aufenthalts im Hier und Jetzt.
~ Martin Seel

Erscheinen

Der wachsam nachdenkliche Zustand während des Strandspaziergangs kann als ästhetische Wahrnehmung oder ästhetische Aufmerksamkeit identifiziert werden. Der Begriff Ästhetik stammt vom alt-griechischen aísthēsis, das mit »sinnlicher Wahrnehmung, Empfindung« übersetzt werden kann. In der Philosophie beschreibt der Begriff sehr unterschiedliche Theorien, beispielsweise des Schönen, aber auch des Hässlichen, der Kunst und der Natur oder auch der Wahrnehmung im Allgemeinen.

Der Spülsaum ist ein Schauplatz ästhetischer Objekte, Formen, Materialien, Gerüche und Geräusche erscheinen und sind bereichernd, anregend, erdend und führen zu einem gesteigerten Lebensgefühl. Durch die aufmerksame Beobachtung von momentanen Erscheinungen erfolgt ein Bewusstsein für die Gegenwart und die Gegenwart des eigenen Lebens.1
1 Seel, Martin: Ästhetik
des Erscheinens. Frankfurt am Main 2003, S. 61.
Der Mensch ist ein extremer Zufall des Zufalls, im Grunde unerklärlich an und für sich selbst, ein Minutengott im Schoße des Nichts. So gebärdet er sich auch nur allzu oft.
~ Béla Freiherr von Brandenstein

Vergänglichkeit

»Die Vergänglichkeit des Individuums ist ein unhintergehbares Faktum, das im Tod eines jeden Lebewesens seinen finalen Ausdruck findet.«2 Die Hüllen und Überreste verschiedenster Lebensformen konfrontieren damit. Auf der einen Seite faszinierend, da die Objekte eine Nähe und Art der Betrachtung zulassen, die im lebendigen Zustand nicht möglich wäre, erinnern sie auf der anderen Seite an die unausweichliche Endlichkeit und Ungewissheit über den Umstand des eigenen Todes. Damit gehen häufig starke Emotionen, Mitleid und Angst einher, denn der Mensch überträgt die Erscheinung und den Ausdruck anderer toter Objekte auf sich selbst, obwohl er den Tod noch gar nicht selbst erfahren hat.
2 Bihrer, Andreas/Franke-Schwenk,Anja/Stein, Tine. Endlichkeit: Zur Vergänglichkeit und Begrenztheit von Mensch, Natur und Gesellschaft. Bielefeld 2016, S. 12.
3 Böhme, Gernot: Für
eine ökologische Naturästhetik. Frankfurt am Main 1999, S. 9.

Naturästhetik

»Die durch den Menschen veränderte natürliche Umwelt wird für ihn nur deshalb zum Problem, weil er das Destruktive dieser Veränderungen nun am eigenen Leibe zu spüren bekommt.«3 Und das ist besonders wichtig für einen anderen Umgang mit ihr. In einer ökologischen Naturästhetik geht es um die leiblich-sinnliche Naturerfahrung, das »Sichbefinden in Umwelten«, Spüren von Atmosphären und darum, die eigene Kreatürlichkeit wieder zum Bewusstsein zu bringen, schreibt Gernot Böhme.

Dazu kann die Kunst beitragen oder es sogar zur Aufgabe haben: Atmosphären erschaffen und ihnen handlungsentlastet begegnen, sie kennenlernen, um das sinnliche Selbstbewusstsein des Menschen zu entwickeln.
… der Mensch beginnt, das, was er der Natur antat, am eigenen Leibe zu spüren; das ist der Kern des sogenannten Umweltproblems.
~ Gernot Böhme

Spuren

Um »... die Bergung des Vergangenen oder des gerade im Verschwinden Begriffenen ...«4 geht es auch in der Kunstrichtung der Spurensicherer. Auf der Suche nach Resten des Authentischen wird die Frage gestellt: Was wäre, wenn die Dinge sprechen könnten und nicht schweigen würden? »Die Vorstellung, daß durch die Präsenz des Einzelobjektes ein fast mystisches Wiederaufkommen der miterlebten alten Geschichte(n) möglich würde, macht die Objekte für die Künstler so interessant.«5

Das erklärt, neben den vorangegangenen Thesen, die bereits in der Kindheit aufkommende und bis in jedes Alter reichende Faszination für Strandfunde und den Drang des Sammelns.
... weil alles, was wir am Saum des Meeres finden, etwas bezeugt: einen Unfall, ein Versehen, Leichtsinn und Übermut, Gewalt und ordnungsgemäßen Tod.
~ Siegfried Lenz
4 Meier, Cordula: Kunst und Gedächtnis: Zugänge zur aktuellen Kunstrezeption im Licht digitaler Speicher. München 2002, S. 44.
5 Ebd. S. 145.
HTC Vive Pro mit Wireless-Adapter

vr

Virtual Reality ermöglicht den Betrachtenden ein vollständiges Eintauchen in eine künstliche computergenerierte Welt mit 360-Grad Sichtfeld. Es geht um die Entwicklung eines Systems, das alle Sinne über ein idealerweise physiologisch nicht wahrnehmbares Interface mit illusionärer Infor­mation versorgt. Das digital Erlebte ist aber so wirkmächtig, dass es auch unser reales körperliches Befinden (auch Sich-Befinden, vgl. Naturästhetik) beeinflusst, wie zum Beispiel das Gleichgewicht, die Orientierung, unser Größenempfinden, Gefühl für Geschwindigkeit, Entfernung. Es kann realen Stress, Schwindel, Angst oder Euphorie auslösen. Daher wird Virtual Reality auch als emphatisches Medium bezeichnet.
6 Vgl. Jacobson, Robert E.: Information Design.
Cambridge 1999, S. 271 f.

Information

Was durch Beobachtungen, Sammlungen, Messungen, Experimente und Recherche zuerst anfällt sind keine Informationen, sondern Daten: Symbole, Zahlen, Zeichen, Buchstaben. Erst durch einen Kontext, eine Übersetzung, Präsentation entsteht eine Bedeutung. Eine Information wird also von einem Sender über ein Medium, das die Daten organisiert, transformiert und in einem Kontext präsentiert, an einen Empfänger gegeben. Bei erfolgreicher Interpretation wird die Information verstanden und generiert Wissen. Je aktiver der Empfänger mit den Informationen interagiert, desto nachhaltiger wird die Erfahrung, die Wissen kreiert. Die persönliche Beurteilung, Reflexion und Interpretation des erfahrenen Wissens kann zu Weisheit führen.6
Data doesn't change our behaviour — emotions do!
~ Karen Eber, TedxTalks