Strandgut oder regional »Treibsel« beschreibt alle Objekte, die das Meer strömungs-, gezeiten- und wetterbedingt anspült.

Definition

Neben pflanzlichen Bestandteilen, wie Seegras, Tang und Treibholz, sind zum Beispiel tote Vögel, Meerestiere, Häuser von Schalentieren und vor allem anthropogene Abfälle enthalten. Angelandet wird alles, was gegen die Strömung zu schwach war oder passiv im Wasser oder an der Wasseroberfläche trieb. Zu diesem Zeitpunkt noch Treibgut oder Seetrift genannt, wird es nach dem Anspülen als Strandgut bezeichnet und bildet entlang der Zone der höchsten letzten Flut den Flut- oder Spülsaum. Häufig existieren auf einem breiten Sandstrand mehrere dieser Zonen parallel nebeneinander mit unterschiedlichem Alter und anderer Zusammensetzung an Objekten. Bei Springtiden, Sturmfluten und Nordwinden, gerade in den Wintermonaten tragen hohe Flutstände den Flutsaum bis an die Dünen oder in das Landesinnere. Losgerissene Pflanzen aus Dünen und Salzwiesen dominieren dann die Mischung zusammen mit Müll, wovon bei Sturm besonders viel von Schiffen oder dem Festland in das Wasser gelangt.

Gezeiten

Ein weiterer Faktor bestimmt die Bewegung der Wassermassen: Die Tide oder auch Gezeiten. Damit wird der tägliche Wechsel von Ebbe und Flut, von Hoch- und Niedrigwasser, das Auf- und Absteigen beziehungsweise sogar das Erscheinen und Verschwinden des Wassers bezeichnet. Ausgelöst wird die Erscheinung durch die Gravitation des Mondes und der Sonne. Die Anziehungskraft des Mondes bewirkt einen Flutberg auf der einen Erdseite. Mond und Erde drehen sich um einen gemeinsamen Schwerpunkt (Baryzentrum), sodass auf der mondabgewandten Seite Fliehkräfte auf der Erde einen Flutberg bewirken. Bei der Erdrotation um die eigene Achse in 24 Stunden tritt also zwei Mal ein solcher Flutberg auf. Der Flutberg läuft gegen den Uhrzeigersinn entlang der englischen Küste zu den West- und schließlich Ostfriesischen Inseln. Dabei wird die unterschiedliche Höhe der Tide durch die Beschaffenheit der Küste und Flussmündungen beeinflusst, die die Gezeitenwelle reflektiert, blockiert und überlagert oder verstärkt.

Strömung

Innerhalb von ein bis zwei Jahren wird das Meerwasser in Gänze ausgetauscht. Aus dem Atlantik stammendes Wasser mit 3,5% Salzgehalt wird im Norden vom Wind und durch die »tiefe Rinne« vor Norwegen eingespeist. Ein weiterer Zufluss erfolgt durch den Ärmelkanal, wobei das Wasser mit dem der mündenden Flüsse gemischt wird. Es fließt weiter nach Nordosten und schließlich, mit dem aus der Ostsee abströmenden Wasser entlang der norwegischen Küste, wieder zurück in den Atlantik.


Wind

Der Wasserstand kann aber auch drastisch durch die Windverhältnisse und Stürme beeinflusst werden: Nordweststürme erhöhen das Hochwasser häufig um mehr als das Doppelte und Oststürme können die Flut gänzlich verhindern und ein konstantes Niedrigwasser verursachen. Das Zusammentreffen der astronomischen Verhältnisse von Sonne, Mond und Erde mit einem Orkan aus der Richtung Nordwesten begünstigt die Entstehung einer Sturmflut mit besonders hohem Hochwasser und zerstörerischen Auswirkungen.


Wellen

Durch Wind wird die Wellenbildung angeregt und gesteuert. Kleine Kräuselwellen bei sehr schwachem Wind bieten mehr Angriffsfläche als eine spiegelglatte See, daher verstärkt sich die Wellenbildung mit zunehmender Windstärke- und dauer. Bei auflaufendem Wasser kommen die Wellen immer ein kleines Stück höher und weiter auf den Strand. Das Brechen der Welle ist stärker als der Sog des wieder ablaufenden Wassers, sodass die mitgetragenen Objekte bis an einen Punkt gespült werden und dort liegen bleiben. Zieht sich das Wasser zurück, bläst der Wind dicht über dem Boden den Schaum von den Objekten und trocknet das Salzwasser weitestgehend aus. Anschließend wird Sand aus der Windrichtung herangetragen und angelagert.
Je nach Luftwiderstand und Windstärke verschwindet das Objekt teilweise in einem aerodynamischen Sandsarg.
400
Tonnen Plastikmüll gelangen pro Stunde in die Meere.
700
Müllteile wurden auf 200m Strandbaschnitt auf der Insel Mellum gefunden
60%
gelangen durch seebasierte und 40% durch landbasierte Quellen in die maritime Umwelt.
95%
aller vom OSPAR untersuchten Eissturmvögel hatten Plastik aufgenommenTonnen Plastikmüll gelangen pro Stunde in die Meere.
31
Plastikpartikel und 0,28g pro Vogel sind der Durchschnitt
Seit 2002 wird im Rahmen des OSPAR Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks systematisches Strandmüllmonitoring durchgeführt. Auf einem festgelegten Küstenabschnitt werden viermal im Jahr (Frühling, Sommer, Herbst, Winter) entlang einer Strecke von 100m und auf der gesamten Breite von der Wasserkante zu den Dünen alle sichtbaren Müllobjekte erfasst und Kategorien zugeordnet.
»Der größte Eintrag von Müllteilen erfolgt durch die Fischerei im Zusammenhang mit dem Verlust von Netzen und Netzfragmenten sowie mit dem Einsatz von mit Netzen verbundenen Schnüren (»Dolly Ropes«).«1

Müll

Früher aus Hanf geflochten, bestehen sie heute natürlich aus Plastik und werden zum Beispiel von Basstölpeln gerne für ihren Nestbau von der Wasseroberfläche gefischt. Die Küken, aber auch Altvögel verheddern und strangulieren sich regelmäßig. Dieser Scheuerschutz aus Nylon-Büscheln (Abb. 01) ist zum gewollten Abrieb an den Netzen befestigt und ein Verschleißartikel. »Allein OSPAR-ID 32 (Schnüre < 1 cm Durchmesser) machen ca. 15% des in der deutschen Nordseeküste angetroffenen Mülls aus.«1 Durch Untersuchungen zu den Strömungsverhältnissen der Nordsee, ist deutlich geworden, dass der Fundort von Müllteilen stark vom Quellort abhängt. Das lässt darauf schließen, dass ein Großteil der Fundobjekte auch in nächster Nähe eingetragen wurde. Auch unter Wasser verfangen sich Meeresbewohner in Müll oder Netzfragmenten, die herrenlos weiter fischen. Andere Stücke werden mit Nahrung verwechselt und füllen die Mägen von Walen und Vögeln.

Neben diesem Makroplastik existiert aber auch noch das Mikroplastik in Größen weit unter fünf Millimetern, das häufig Schadstoffe enthält, die das Erbgut schädigen und krebserregend sind. Die kleinen Tiere am Anfang der Nahrungskette nehmen die Stoffe auf, so gelangen sie auch in die größeren Jäger und kommen bis zurück zu uns auf den Teller.
Abb. 01 Dolly Ropes im Netz eines Fischkutters
»Müll am Strand, Meeresboden und in der Wassersäule belastet die deutschen Nordseegewässer und ist weit verbreitet. Der gute Umweltzustand ist nicht erreicht. Es gab im Bewertungszeitraum keine Anzeichen für eine Abnahme der Belastung.«2

Massnahmen

Daher gibt es in der Europäischen Union die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, deren Strategien und Ziele von allen Meeresanrainerstaaten verpflichtend umzusetzen und zu kontrollieren sind. Operative Umweltziele:2
5.1
Kontinuierlich reduzierte Einträge und eine Reduzierung der bereits vorliegenden Abfälle führen zu einer signifikanten Verminderung der Abfälle mit Schadwirkung für die marine Umwelt an den Stränden, auf der Meeresoberfläche, in der Wassersäule und am Meeresboden.
5.2
Nachgewiesene schädliche Abfälle in Meeresorganismen (insbesondere von Mikroplastik) gehen langfristig gegen Null.
5.3
Weitere nachteilige ökologische Effekte (wie das Verfangen und Strangulieren in Abfallteilen) werden auf ein Minimum reduziert.

Spülsaum
monitoring

Während des sogenannten Spülsaummonitorings wird nicht der Müll, sondern ausschließlich Totfunde von Vögeln und Meeressäugern erfasst. Auf den ostfriesischen Inseln erfolgt diese ganzjährige Zählung, inklusive Tupfer- und Gefiederproben zur Prüfung von Krankheiten oder Vergiftungen, alle zwei Wochen auf festen Strecken — besonders in den menschenleeren Nord- und Ostteilen der Inseln, die dem offenen Meer zugewandt sind. Neben Tierart, Ort und Witterung, werden auch die Todesursache, der Zustand, das Geschlecht und das Alter erfasst. Die Funde werden in eine sachlich, rationale Form der Darstellung, lediglich in Zahlen und Zeichen transformiert. Der aktuelle Einfluss der Vogelgrippe (H5N1) zeigt sich deutlich in hohen monatlichen Zahlenvon Basstölpeln (Abb. 01) und Brandseeschwalben (Abb. 02) im Januar und Juli. Dadurch entstehen gewisse Regelmäßigkeiten in der Art der Funde, die saisonal oder lokal geprägt sind. Ein anderer großer Teil wird dennoch durch den Zufall und die Naturgewalten bestimmt.
Abb. 01 Basstölpel
Abb. 02 Brandseeschwalbe
Was du hier am Strand erfahren willst, mußt du dir erfinden, denn magst du auch noch so viel entdecken und sammeln: über seine Herkunft schweigt jedes Ding.
~ Siegfried Lenz, Kleines Strandgut
3 Vgl. Vesper, Heike: Wenn wir die Meere retten, retten wir die Welt: Wie ein nachhaltiger Umgang gelingt und jeder Einzelne etwas bewirken kann.
Hamburg 2021, S. 28.
4 Böhme, Gernot: Für eine ökologische Naturästhetik. Frankfurt am Main 1999, S. 24.

Problem

Heike Vesper, die Direktorin des WWF Deutschland, beschreibt den menschlichen Schwachpunkt: »Wir sind darauf gepolt, nur das Problem anzuerkennen, was wir mit eigenen Augen sehen können bzw. am eigenen Leib verspüren. [...] Ich habe schon unzählige Diskussionen [...] darüber geführt, wie wir es schaffen, die Probleme sichtbarer zu machen, erlebbar, fühlbar, damit wir aus unserer Komfortzone kommen und anfangen zu handeln ...«3 Auch der Philosoph Gernot Böhme erklärt den Kern des Umweltproblems mit »dem Leiden an der Natur, insofern nämlich der Mensch beginnt, das, was er der Natur antat, am eigenen Leib zu spüren ...«4